Die To-do-Liste ist randvoll mit Aufgaben, die man im taufrischen Jahr meistern möchte. Das schürt einerseits das Interesse für Selbstmanagement-Tipps. Andererseits bewegt es Medien dazu, das Publikum mit weisen Ratschlägen zu überhäufen.
Eine rühmliche Ausnahme bilden die „wissenschaftlichen Empfehlungen für alle Lebenslagen“ von Randall Munroe. Sie sind so erheiternd absurd, dass sie nicht zur Diskussion stünden. Genau das bereitet beim Lesen nicht nur Freude. Es stachelt den Mut zum einfachen Weg an.
Selbsthilfe-Ratgeber der anderen Art
Tagtäglich möchten unzählige Aufgaben abgearbeitet werden. Hinzu gesellen sich größere Projekte im privaten und beruflichen Bereich. Darüber hinaus strebt man an, einige Träume zu verwirklichen. Damit all das gelingt, wird gewissenhaft geplant.
Das Rüstzeug dafür vermitteln schlaue Ratgeber, die insbesondere zum Jahresauftakt um die Gunst der Leser buhlen. Wer sich ein Kontrastprogramm zu der Überdosis an Selbsthilfe-Tipps wünscht, greift zum „Selp-Help-Guide“ von Randall Munroe.
Der Autor war einst als Roboter-Ingenieur bei der NASA tätig. Das verdeutlicht seinen wissenschaftlichen Anspruch. Jeder Tipp des Sachbuchs wird deshalb theoretisch äußerst präzise für die fachlich tadellose Umsetzung erläutert.
Praktisch ist kein Ratschlag für die praktische Umsetzung gedacht. Denn Munroe ebnet durchweg den Weg zur umständlichsten Lösung, die für das banale Problem denkbar ist.
Aberwitzige Ideen für simple Aufgaben
Poolparty, Ski fahren, Handy laden oder Selfie machen: „How to“ befasst sich mit alltagsnahen Themen, serviert aber realitätsferne Lösungsansätze. Ein Blick auf das Geburtsdatum würde für die Beantwortung der Frage genügen, ob man zur Babyboomer-Generation gehört. Die Bestimmung der Radioaktivität in den Zähnen führt ebenfalls zur Antwort.
Wer zur Unpünktlichkeit neigt, gelangt mit der passenden Reminder-App termingerecht zur Verabredung. Das Problem löst sich auch dann in Luft auf, wenn man den Mond zerstört. Zugvögel nutzte man früher für den Transport von Briefpost.
Somit ist es denkbar, dass sie einen USB-Stick mit digitalen Daten ans Ziel bringen. Näher läge natürlich der virtuelle Versand als E-Mail-Anhang. Aber warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?
Humorvoll, lehrreich und tiefsinnig
Der Absurditätsgrad der Lebenshilfe-Tipps hat einen hohen Spaßfaktor. Zum Vergnügen wird das Lesen aber vor allem durch die penibel genauen Erklärungen und wissenschaftlichen Herleitungen. So treffen theoretische Sinnhaftigkeit und praktische Sinnlosigkeit humorvoll aufeinander.
Der Clou: Munroe gelingt es, komplexe Dinge anschaulich darzustellen. Herzlich lachen können bei der Lektüre nicht nur Wissenschaftsfreaks. Gleiches gilt für Laien, für die das Lesen ganz nebenbei lehrreich ist.
Denn das Sachbuch reaktiviert nicht nur die schulische Grundbildung, die in Vergessenheit geriet. Es erweitert das Wissen zu Phänomenen, die uns im Alltag begegnen. Ein weiterer Pluspunkt: Der Autor verfasste seinen absurden Ratgeber mit reichlich Liebe zum Detail. Hierfür sind Fußnoten ein gelungenes Beispiel.
Ihre Unsinnigkeit oder Anspielung auf pseudowissenschaftliche Internetbeiträge offenbart sich beim näheren Hinsehen. Das Buch landet deshalb nach dem Schmökern nicht für immer im Regal. Es lohnt sich, später nochmals danach zu greifen.
Ermutigung zur Einfachheit
„How to – Wie man’s hinkriegt“ ist geschaffen für den vergnüglichen Zeitvertreib mit Tiefgang. Es handelt sich um eine äußerst gelungene Persiflage auf die Selbsthilfeliteratur, die sich zum Jahresanfang über eine Hochkonjunktur freut.
Dieser Aspekt ist nicht nur witzig, sondern lädt zum Nachdenken ein. Es liegt im Trend, die kleinsten Aufgaben des Lebens hocheffizient durchzuplanen. Ähnlich verbreitet ist es, dafür spezielle Tools zu nutzen oder Ratgeber zu lesen. Das führt nicht selten dazu, Einfaches komplexer als notwendig anzugehen.
So liefert Randall Munroe doch eine Empfehlung fürs Jahr 2020, die keineswegs absurd ist: Es lohnt sich stets die Frage, ob der eingeschlagene Weg tatsächlich die effizienteste Lösungsstrategie für eine Aufgabe ist.
Randall Munroe zählt zu den wissenschaftlichen Ausnahmetalenten. Nach seinen Studienabschlüssen in Mathematik und Physik startete er vielversprechend bei der NASA durch. Als Robotiker widmete er sich einem zukunftsweisenden Metier.
Er verlängerte seinen Vertrag bei der US-Raumfahrtbehörde trotzdem nicht. Seither widmet er sich als Comic-Autor seiner Leidenschaft, in die er sein wissenschaftliches Know-how einfließen lässt.
Randall Munroe
How to? Wie man’s hinkriegt
384 Seiten
ISBN: 978-3-328-60091-6